Alles, was äußerlich mit dem heiligen Altarsgeheimnis in Beziehung steht, nimmt billig unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Je mehr wir die äußern Gegenstände, womit der Geist Gottes das heilige Opfer umgeben hat, betrachten, je mehr die Seele deren Bedeutung zu erfassen sucht, umsomehr wird sie auch den innern Wert des hochheiligen Opfers erkennen und schätzen.
Unter allen diesen Gegenständen ist zuerst der Altar zu nennen. Der geweihte Altar ist der Ort, wo das heilige Opfer des Neuen Bundes Gott dargebracht wird. Der Altar ist so innig mit der heiligen Opferhandlung verbunden, dass Opfer und Altar nicht von einander getrennt werden können.
Der Altar, auf welchem der Herr selber im Saale des Abendmahles das eucharistische Opfer eingesetzt und vollzogen hat, war nach uralter Überlieferung ein hölzerner Tisch. Derselbe soll jetzt noch in der Basilika des heiligen Johannes im Lateran zu Rom aufbewahrt werden.
Auch der Apostelfürst Petrus hat in Rom im Hause des Senators Pudens, dessen Familie er für das Christentum gewonnen hatte, auf einem hölzernen Altare das Opfer des Leibes und Blutes Jesu Christi dargebracht. Das Haus des Senators Pudens wurde um die Mitte des zweiten Jahrhunderts vom heiligen Papst Pius I. in eine Kirche umgewandelt. Sie trägt den Namen St. Pudentiana und besteht heute noch. Der hölzerne Altar aber, auf welchem der heilige Petrus die heilige Messe feierte, wurde vom heiligen Papst Sylvester I. aus der Kirche St. Pudentiana in die Basilika St. Johann im Lateran übertragen, wo er, von kostbarem Marmor umschlossen, heute noch den Rompilgern gezeigt wird. Dieser Altar ist ausschließlich dem Papste zur Feier der heiligen Messe vorbehalten.
Schon um die Zeit der Apostel nahm man auch Steine und salbte und heiligte sie zu Opferstätten. In den Katakomben diente meist eine steinerne Platte, die das Grab eines heiligen Martyrers deckte, als Altar zur Feier des heiligen Opfers. Diese Form des Altares war eine Erinnerung an die steinerne Grabeshöhle, in welcher der Leib Christi ruhte.
Was sagen uns diese ehrwürdigen Altäre der ersten christlichen Zeit? Sie sagen uns still, aber im gläubigen Herzen deutlich vernehmbar, dass das heilige Messopfer, welches alle rechtmäßigen Priester in der katholischen Kirche feiern, schon damals Gott dargebracht wurde. Denn wozu sonst sollten diese Altäre gedient haben? Ist es nicht als hörten wir durch alle Jahrhunderte fortklingen die Worte des Herrn: "Tut dies zu meinem Andenken!"
Gab es auch ursprünglich Altäre von Holz, so kamen dieselben doch bald außer Gebrauch und wurde die Errichtung und Weihe der Altäre aus Stein von den Päpsten vorgeschrieben. In den Altarstein müssen bei der Weihe Reliquien von Heiligen, besonders von heiligen Märtyrern, eingeschlossen werden. Der Altarstein selbst ist ein Sinnbild des Herrn, der unser Fels ist und unsere Hoffnung. Schon König David hat, da er aus der Hand seiner Feinde sich gerettet sah, freudig ausgerufen: "Der Herr ist mein Fels und meine Kraft und mein Retter". (II. König. 22, 2.)
Als die blutigen Verfolgungen vorüber waren und die Christen aus dem Dunkel der unterirdischen Grüfte ans Tagelicht hervortreten durften, bestrebten sie sich mit größer Opferwilligkeit, dem Allerhöchsten würdige Wohnstätten zu bereiten. Sie bauten prächtige Tempel und es war ihnen eine Freude, auch die Altäre möglichst kunstvoll herzustellen und kostbar auszuschmücken, wie es der hohen Würde und erhabenen Bestimmung derselben angemessen war. Die Hauptsache aber bleibt immer die "mens", d. i. der steinerne Altartisch.
Die Betrachtung des Altarschmuckes ist geeignet, in der Seele gute Gedanken und Entschlüsse hervorzubringen und die Andacht und Sammlung bei der heiligen Opferfeier zu erhalten und zu vermehren.
Was die Altartücher bedeuten
Zu den für den christlichen Opferaltar vorgeschriebenen Schmuckgegenständen gehören erstlich die geweihten Altartücher. Es muss der Altar mit drei leinenen Tüchern bedeckt sein. Der erste Zweck dieser dreifachen Altarbekleidung ist die Reinlichkeit. Dann haben die Altartücher auch eine symbolische Bedeutung. Wird durch den geweihten Altarstein Christus sinnbildlich dargetellt, so erinnern die Altartücher an jene leinenen Tücher, in welchen der heilige Fronleichnam bei der Abnahme vom Kreuze eingewickelt wurde.
Die Dreizahl der Altartücher ist ein sinnvoller Hinweis auf die Gläubigen, welche den Opferaltar umgeben. Sie deutet darauf hin, dass alle geheiligten Seelen in dreifacher Gliederung entweder der streitenden oder leidenden oder triumpierenden Kirche angehören.
Die reine, weiße Leinwand sinnbildet die Reinheit des Herzens und den reinen Lebenswandel der vollendeten Heiligen, den die Gläubigen auf Erden nachzuahmen berufen sind. Wie die edle Leinwand nur mit größter Mühe und Arbeit zubereitet und gewonnen wird, so können auch Herzensreinheit und Tugend nur mühsam durch Wachsamkeit und Abtötung und durch viel Gebet erlangt und bewahrt werden.
Warum muss ein Kruzifix auf dem Altare sein?
Ein anderer und notwendiger Schmuck des Altars ist das Kruzifix. Ist der Altarstein ein Sinnbild Jesu Christi, so stellt der Oberbau des Altares den Kalvarienberg vor und muss daher mit dem Kreuze versehen sein. Der ernste Blick auf das Bild des gekreuzigten Heilandes ist für die Seele allzeit heilsam und gnadenreich, zumal während der heiligen Opferfeier, welche ja die wesenhafte Vergegenwärtigung des hohen und heiligen Leidens ist. Das Kruzifix ist das ernsteste und ergreifendste Buch. In diesem Buche zu lesen ermahnt der Apostel mit den Worten: "Werdet nicht müde und lasset den Mut nicht sinken, sondern blicket auf zu Jesus, der das Kreuz erduldet hat und nun zur Rechten des Thrones Gottes sitzt." (Hebr. 12, 2-3.)
Warum wird der Altar mit Bildern und Blumen geschmückt?
Durch die Bilder steigen die Heiligen gleichsam zu uns herab, leben in unserer Mitte, reden zu uns in geheimnisvoller Sprache von ihrem glorreichen Tugendbeispiele. Sie wecken in uns gute Gedanken und fromme Entschlüsse. Die Heiligen, deren Bilder wir sehen, laden uns ein, ihnen nachzufolgen auf dem Pfade des Guten.
Auch die Blumen können als passender Altarschmuck erwähnt werden. Obwohl sie nicht notwendig und nicht vorgeschrieben sind, ist es doch ein altehrwürdiger Brauch, die Altäre, besonders an hohen Festen, mit künstlichen oder noch besser mit natürlichen Blumen zu schmücken. Die Naturblumen sind Kinder des Lichtes und erinnern an die Schönheit des Paradieses. Sie sind in ihrer Farbenpracht auch ein sprechendes Bild der Schönheit Gottes. An Festtagen zum Altarschmuck verwendet, sind sie der Ausdruck heiliger Freude.
Die Blumen empfangen ihre Frische und Schönheit von der Sonne. So ist auch Christus unsere Lebenssonne, welche die gläubigen Seelen ausstattet mit Kraft und Gnade. Diese sollen mit der Gnade mitwirken und gleich den Blumen blühen in Reinheit und im Glanze jeglicher Tugend. Sie sollen ihren Glanz bewahren und nicht verwelken. Die Seelen der Gläubigen meint der Heilige Geist, wenn er sich im Buche Sirach vernehmen lässt: "Blühet wie die Lilie und hauchet Duft aus, und grünet holdselig; singet ein Loblied und preiset den Herrn in seinen Werken." (Sir. 39, 19.)
Der Altar mit seinem Schmuck soll dir die heiligste, die ehrwürdigste Stätte sein. Da wird ja die Menschwerdung unseres göttlichen Erlösers, sein Leben und sein Opfertod geheimnisvoll erneuert. Da fließt die Gnade unaufhörlich in das Herz und beglückt die Menschen. Der Altar stellt uns Nazareth, Bethlehem und Golgotha vor Augen und bringt das verlorene Paradies zurück auf die Erde.
Aus: Gold, Edelstein und Perlen oder Die Zeremonien und Gebete bei der heiligen Messe. Von P. Placidus Banz, Benediktiner in Einsiedeln, d. Z. Pfarrer in Schnifis bei Feldkirch, 1910